Abgang von Timmermans von EU: Nachfolge oder von der Verschiebung zur Absage?

Der bevorstehende Abgang des Ersten Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, des Niederländers Frans Timmermans, kommt für das Team von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu einem höchst unglücklichen Zeitpunkt. Er wird in die niederländische Politik zurückkehren, möglicherweise als neuer Premierminister.

Gerade als es im letzten Jahr der Wahlperiode darum geht, die Ernte einzufahren, verliert die Europäische Kommission nicht nur einen ihrer Starakteure, sondern es wächst auch der Widerstand gegen die entscheidenden Hinterlassenschaften des Green Deal aus Timmermans‘ Portfolio. 

Nachdem nun klar ist, dass Timmermans Parteivorsitzender von PvdA/GroenLinks wird, gibt es in Brüssel bereits viele Spekulationen darüber, wer seine Nachfolge antreten soll. Übrigens: Sollte er tatsächlich für dieses eine Jahr weiterverfolgt werden?

Wer wird nächstes Jahr das Dogma „Du sollst nachhaltiger werden“ verteidigen?: ein Aushilfsmann, der sich nur um den Laden kümmert? Wer wird bald für die Verankerung der Klimadossiers von Timmermans für den nächsten EU-Zeitraum 2024 – 2029 verantwortlich sein? Den Vorschriften zufolge sollten die Niederlande einen neuen designierten Kommissar nominieren. Doch das niederländische Kabinett scheidet nach dem Rücktritt des VVD-Premierministers Mark Rutte aus, und solche Ernennungen sind aus politischer Sicht besonders heikel. 

Die Brüsseler Maschinerie könnte denken, dass Timmermans' Arbeit mehr oder weniger erledigt ist und dass der Rest von Timmermans derzeitigem Assistenten, dem Aktenfresser Diederik Samsom, erledigt werden kann. Bei Bedarf kann der Rest auf die Zeit nach der Europawahl (Juni 2024) verschoben werden, oder einer der aktuellen „Klimakommissare“ kann ein weiteres Jahr hinzufügen. 

Es wird zweifellos berücksichtigt, dass in den nächsten anderthalb Jahren Landwirtschaft und Umwelt nicht die wirklich großen Themen sein werden. Für europäische Landwirte vielleicht schade, aber der EU steht im kommenden Jahr vor einer Reihe weiterer entscheidender Herausforderungen, insbesondere auf geopolitischer Ebene.

Darüber hinaus sind die Handelsbeziehungen mit den USA und China, die Folgen des Brexit, der russische Krieg in der Ukraine nur einen kleinen Schritt wichtiger als die Frage, ob es ein Glyphosat-Verbot gibt oder nicht. Zwar hofft die Agrarlobby in Brüssel bereits, dass der vorzeitige Abgang von Timmermans „von der Verschiebung zur Absage“ führen werde. Über die verbleibenden Timmermans-Akten gehen die Meinungen noch immer weit auseinander.

Beispielsweise müssen die LNV-Minister noch einer Halbierung des Einsatzes chemischer Arbeitsstoffe in der Landwirtschaft zustimmen. So müssen sich Minister und Parlament beispielsweise erneut auf ein fast abgeschafftes Naturschutzgesetz einigen. So muss beispielsweise noch eine Entscheidung über eine geringere Nitratbelastung des Bodenwassers getroffen werden. Außerdem wurden eine Lockerung des Einsatzes von Glyphosat und eine Ausweitung der GVO-Techniken angekündigt. 

In diesem Szenario (= es bleibt noch viel zu gewinnen) könnte die Ausschussvorsitzende Von der Leyen das verbleibende Klima-Dossier selbst in die Hand nehmen und aus einem drohenden Minus ein Plus machen. In den Fluren Brüssels wird geflüstert, dass Von der Leyen nach der Europawahl gerne wiederernannt werden möchte. Vor allem konservative deutsche Christdemokraten seien darüber nicht so erfreut, heißt es. Sie halten Von der Leyen für zu Timmermans-freundlich, zu grün. 

Mehrere mitteleuropäische christdemokratische Parteien (und EVP-Parteichef Weber!) sind der Meinung, dass die EU einen rechtsgerichteteren Kurs einschlagen sollte, mit mehr Fokus auf „Wirtschaft + Gegenwart“ und weniger Betonung auf „Green Deal + übermorgen“. .

Für von der Leyen wäre es nicht nur ein schönes diplomatisch-administratives Ergebnis, die letzten Schritte Timmermans erfolgreich abzuhaken und abzusichern; Es könnte für sie auch eine persönliche Kampagnenstrategie sein.