Frankreich bastelt an EU-Zukunft; keine wütenden Bauern auf der Straße für eine Weile

Frankreich übernimmt für die nächsten sechs Monate die Präsidentschaft der Europäischen Union. Diese temporäre Präsidentschaft wird hauptsächlich von der Zukunftskonferenz zur Modernisierung des Haushalts und der Verfahren innerhalb des EU dominiert. Zudem will Frankreichs Präsident Manuel Macron das Aufgabenspektrum des EU in der internationalen Wirtschaft deutlich erweitern.

Nach den jüngsten Entscheidungen zur neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sind im Agrarbereich unter der französischen Ratspräsidentschaft kaum neue große Entscheidungen zu erwarten. Der französische LNV-Minister Julien Denormandie muss mit der Einführung der ersten Farm-to-Fork-Maßnahmen beginnen, aber er muss vor allem dafür sorgen, dass Kommissar Janusz Wojciechowski nicht zu schnell vorgeht.

Für die Landwirtschaft ist die günstigste Änderung von neuen Handelsabkommen zu erwarten. Frankreich will Schutz vor Importen von (billigeren) Lebensmitteln, die nicht nach europäischen (Umwelt-)Kriterien hergestellt werden. Mit dem Gegenseitigkeitsprinzip für Importe und Eigenproduktion will Frankreich künftig verhindern, dass Umwelt- und Klimagesetze im EU die Wettbewerbsposition der EU-Bauern schwächen. 

Denormandie warnt, dass der Green Deal keinesfalls zu einer Verlagerung der Produktion aus dem EU führen dürfe. In Frankreich herrscht breiter Konsens darüber, dass der heimische Rindfleischmarkt geschützt werden muss und das Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten deshalb nicht in Kraft treten soll. 

Die derzeit verhandelten Handelsabkommen mit Neuseeland und Australien dürften wegen der Konkurrenz um tierische Produkte in Frankreich auf französische Vorbehalte stoßen. Außerdem will Paris Sojaimporte durch mehr eigenen Sojaanbau innerhalb der EU ersetzen.

Innerhalb weniger Jahre ist Frankreich vom weltweit zweitgrößten Agrarexporteur auf den sechsten Platz abgerutscht. Von den EU-Mitgliedsstaaten haben vor allem die Niederlande und Deutschland Frankreich bei den Exportländern überholt. Als wesentliche Ursache des Problems werden Veränderungen im Konsum- und Konsumverhalten sowie der Preisgestaltung in Supermärkten gesehen. Essen spielt im Alltag vieler Franzosen eine immer geringere Rolle als früher. Es gibt auch einen zunehmenden Trend zu billigen Produkten. 

Landwirtschaftsminister Denormandie gilt als besonderer Vertrauter von Präsident Emmanuel Macron. Er war von Anfang an Teil der neuen Bewegung „En Marche“ und organisierte den Wahlkampf 2016 für Macron. Seine schwierige Aufgabe, die unruhigen französischen Bauern bei der Stange zu halten, war bisher mehr oder weniger erfolgreich. Kürzlich wurde er in Paris von Zuckerrübenbauern beklatscht, für die er die Neonikotinoid-Ausnahme verlängert hatte. 

Trotz seines verbalen und politischen Bekenntnisses zu einer umwelt- und klimafreundlichen Landwirtschaft geht Denormandy im Einzelfall oft pragmatischer vor. Französische Bauern, die schnell und kämpferisch auf die Straße gehen, und die starken regionalen Landwirtschaftsverbände sind ihm schnell im Nacken.

Und bei der anstehenden Präsidentschaftswahl im April dürfen die Landwähler auf keinen Fall an die Republikaner verloren werden. Französische Landwirte sollten sich also in den nächsten sechs Monaten nicht über europäische Agrarfragen aufregen …