Nach der Herbstpause werden am Mittwoch in Berlin die monatlichen Koalitionsberatungen zwischen SPD, Grünen und FDP fortgesetzt, bei denen es um den Fortbestand ihrer deutschen „Ampelkoalition“ geht. Die deutschen Medien rechnen mit einem Kabinettsbruch und vorgezogenen Bundestagswahlen.
Unmittelbarer Grund ist das letzte Woche vorgestellte „Konjunkturprogramm“ des liberalen FDP-Finanzministers Christian Lindner. Dieser FDP-Bericht wird allgemein als „völlig konträr zum Deutschlandfonds“ von Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) interpretiert. Dieser Konjunkturfonds soll der schwächelnden deutschen Wirtschaft neuen Schwung verleihen.
Der FDP-Plan kommt zudem weniger als eine Woche nach einem Gipfeltreffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Vorsitzenden der großen deutschen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsverbände. Details wurden im Nachhinein nicht bekannt gegeben, man geht aber davon aus, dass Scholz das deutsche Mittelfeld auf „noch mehr schlechte Nachrichten“ vorbereitet hat. Letzte Woche kündigte der Automobilhersteller Volkswagen an, dass er Kürzungen vornehmen und sich neu organisieren müsse, möglicherweise durch die Schließung von drei großen Fabriken.
Obwohl es viele Gründe gibt, den wirtschaftlichen Kurs der drei Jahre alten deutschen Koalition anzupassen, sind die jüngsten schockierenden Wahlergebnisse in drei ostdeutschen Bundesländern viel entscheidender. Dort ging die rechtsextreme AfD (mit einem Viertel der Stimmen) als klarer Sieger hervor, gefolgt von der neu gegründeten Partei um Sahra Wagenknecht. Dieses Ergebnis schlug bei den Politikern in Berlin wie eine Bombe ein.
In Meinungsumfragen liegt die CDU/CSU-Opposition seit Monaten mit einer Unterstützung von rund 30 Prozent vorne, während SPD sowie Grüne und FDP seit Monaten Verluste hinnehmen müssen. In den drei östlichen Bundesländern finden derzeit Koalitionsverhandlungen statt, und es zeichnet sich ab, dass dort Regionalregierungen aus CDU, AfD und BSW gebildet werden. Vielleicht darf die SPD noch in einem Bundesland mitmachen.
Die regulären Wahlen sind erst im September nächsten Jahres geplant. Jüngsten Meinungsumfragen zufolge wünscht sich jeder zweite Bundesbürger vorgezogene Neuwahlen: Laut einer knappen Mehrheit ist die Stoplich-Koalition am Ende. 54 Prozent sprachen sich im ARD-Deutschlandtrend für Neuwahlen aus.
Nur 41 Prozent sind dafür, dass die Ampel-Regierung bis zum regulären Wahltermin am 28. September 2025 bestehen bleibt. Anhänger von SPD (77 Prozent) und Grünen (76 Prozent) hingegen halten eine Fortsetzung der gemeinsamen Regierungsarbeit weiterhin für sinnvoll.
Die Union aus CDU und CSU liegt der Umfrage zufolge bei 34 Prozent, drei Prozent mehr als vor einem Monat, die SPD unverändert bei 16 Prozent und die AfD bei 17 Prozent. Die Grünen verlieren zwei Prozentpunkte und erreichen 11 Prozent. Der BSW verliert zwei Prozentpunkte und liegt derzeit bundesweit bei 6 Prozent.
Es ist ein Dokument, mit dem Lindner SPD und Grüne herausfordert und ihre Koalition tiefer in die Krise stürzen kann. Der FDP-Chef fordert einen sofortigen und radikalen Kurswechsel, meint damit aber keine Reform der (Finanz-)Schuldenbremse oder die Schaffung neuer Sonderfonds.
Lindner greift damit direkt in Habecks Industriepolitik ein: Habecks Ansatz „konzentriert sich traditionell auf größere Unternehmen, meist auch mit den stärksten Interessengruppen (wie Intel oder Thyssen-Krupp), vernachlässigt aber kleine und mittlere Unternehmen, das Handwerk und vor allem neue und junge Unternehmen.“ Unternehmen“, schreibt Lindner. Und auch im Bereich der „grünen“ Klimapolitik fordert er ein Ende des „deutschen Sonderwegs“.